Niedergang des Einzelhandels in der Karlsruher Innenstadt

Über den Niedergang des Einzelhandels wird immer viel geschrieben – die Betrachtungen beziehen sich nicht nur auf Deutschland, sondern auf die ganze Welt. Die Kleinstadt im Osten Deutschlands, Großstädte wie Frankfurt und Berlin bis hin zur High-Street einer Weltstadt. Auch Karlsruhe, über das ich hier schreibe.

Natürlich ist einer der Hauptgründe für die dramatischen Veränderungen im Einkaufsverhalten der Verbraucher zu finden. Der Kauf im Internet wächst unaufhaltsam während der Wunsch nach einem „Cityerlebnis“ weiter sinkt.

Die Maßnahmen während der Coronakrise haben die Bereitschaft zum Kauf im Netz weiter beschleunigt. Büroarbeitsplätze in der Innenstadt wurden und werden durch Home-Office-Regelungen ebenfalls weniger aufgesucht – der Einkauf in der Mittagspause oder nach Feierabend ist dann nicht mehr notwendig.

Doch die Gründe für den Niedergang des Einzelhandels in den Innenstädten hat noch viel mehr Gründe – wie dies am Beispiel Karlsruhe anschaulich gemacht werden kann:

Es sind Veränderungen und der Attraktivitätsschwund von Straßen auch abseits der Kaiserstraße. Ein gutes Beispiel ist die Amalienstraße in unserer Innenstadt. In den 80er und 90er-Jahren eine gute Innenstadtlage mit vielen Wohnhäusern, inhabergeführten Geschäften, Kanzleien und Büros. Die genannten Wohnhäuser sind heute gut beraten, wenn diese über Schallschutzfenster und einbruchsichere Haustüren verfügen – damit wissen Sie, was ich meine. Mittlerweile ist die Anzahl der Imbissbetriebe extrem hoch, ebenso Barber-Shops und Tattoo-Studios Bürgerliche Gaststätten sind nicht mehr vorhanden, aus einer ehemaligen dringt heute arabische Musik im Sommerhalbjahr in die Luft. Von der Stadt wurde gefördert, dass Parkplätze zur Nutzung für Außengastronomie verwendet werden können – was im Quartier Amalienstraße und Hirschstraße zahlreich geschieht. Eine Einhaltung und Überwachung der Nachtruhe erfolgt kaum. Für mich war es völlig unverständlich, warum auf dem Stephanplatz ein Imbissbetrieb mit Öffnungszeiten bis 5 Uhr morgens von der Stadt genehmigt und toleriert wird. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Wohnqualität an diesem Standort, hier erwarte ich eine massive Veränderung der Bewohnerstruktur. Aktuell werden laufend polizeiliche Razzien zur Unterbindung des Drogenhandels durchgeführt. Letzter „Neuzugang“ als Mieter ist ein Kiosk, der unter der Woche bis 2 Uhr nachts und am Wochenende rund um die Uhr geöffnet hat. Klassischer Einzelhandel ist in dieser Imbissmeile quasi nicht mehr vorhanden. Es gibt viele Leerstände und viele Immobilien wirken sehr ungepflegt.

Die aus meiner Sicht einzigartige Ausnahme ist die Südliche Waldstraße. Hier findet man eine lebendige Geschäftswelt vieler inhabergeführter Läden und eine Gastronomie, die man gerne besucht. Die Stadt Karlsruhe hat daran keinen Anteil, die Südliche Waldstraße wird privat durch eine Interessengemeinschaft der Händler und Gastronomen moderiert. Die 200 Meter Straßenlänge wirken wie eine Art „Oase“ in der Innenstadt.

Südliche Waldstraße

Die Aufenthaltsqualität in den überwiegenden Teilen der Innenstadt ist aber eher schlecht. Die Veränderung unserer Gesellschaft ist hier hautnah spürbar, ein Gefühl für Sicherheit ist hier nicht mehr vorhanden.

Auf der Haupteinkaufsmeile Kaiserstraße ist die Trennung zwischen Top-Lage und eher mäßigen Lagen dramatischer geworden.

Östliche Kaisertraße

Östliche Kaiserstraße: Früher waren auch hier noch einzelne Fachgeschäfte, z.B. für Büroeinrichtung, Optik, Uhren vorhanden. Dies ist längst nicht mehr der Fall, ab der Kreuzstraße würde ich das Angebot von Imbissbetrieben, Handy-Shops als „wenig attraktiv“ bezeichnen. Für Innenstadtbesucher mit durchschnittlichem Anspruch gibt es fast keinen Grund, diesen Abschnitt zu besuchen. Wohnfühlfaktor und Sicherheitsempfinden sind auf niedrigstem Niveau.

Westliche Kaiserstraße: Hier existieren durchaus noch einzelne Fachgeschäfte, die gezielt von Kunden angesteuert werden. Es sind noch einzelne Behörden, Arztpraxen und Büros vorhanden. Die Zunahme von Imbissbetrieben ist hier aber ebenfalls extrem hoch. Ein etabliertes und gefragtes Café hat vor kurzem aufgegeben und wird von einem türkischen Anbieter übernommen. Ein Lebensmittel-Discounter deckt dort die Versorgung bis Mitternacht ab, der Besuch zu später Stunde ist wirklich unterhaltsam. Noch vor Jahren war der zwingende Einsatz eines Sicherheitsdienstes in einem Lebensmittelgeschäft undenkbar.

In diesem Abschnitt sind noch Parkplätze für die Autos vorhanden, was einen kurzen Einkauf oft ermöglicht. Im Rahmen der Neugestaltung dieses Abschnittes wird die Stadt Karlsruhe diese Parkplätze abschaffen.

Europapaltz

Mittlerer Abschnitt der Kaiserstraße: Früher war die Top-Lage vom Europaplatz im Westen bis hin zum Marktplatz in Ostrichtung. Es gab Wartelisten für Mieter, nur selten waren Vermietungsschilder sichtbar. Die Mietverhandlungen wurden in der Regel diskret geführt, für EG-Verkaufsflächen wurden sehr hohe Mieten bezahlt. Hier ist der für deutsche Großstädte übliche Geschäftsbesatz von Filialisten vorhanden, es gibt keinen Unterschied zu ähnlichen Städten. Leerstände wären hier früher undenkbar gewesen – mittlerweile ist diese Quote sehr auffällig. Kurzfristig ist sogar ein Billigkaufhaus eingezogen. Trotz der Übernahme von Karstadt ist aus meiner Sicht der dauerhafte Verbleib des großen Kaufhauses nicht garantiert und kann jeden Tag neu entschieden werden. Der Europaplatz ist bei Dunkelheit einer der unsichersten Plätze von Karlsruhe. Wünschenswert wäre der dauerhafte Einsatz von Polizei bzw. dem kommunalen Ordnungsdienst mit entsprechender Personalstärke.

Grundsätzliches zur Karlsruher Innenstadt: Glücklicherweise stellt die Karlsruher Innenstadt keine Monokultur aus Ladenflächen, Büros und Gastronomie dar. Noch immer sind Wohnungen in den oberen Geschossen der Geschäftshäuser vorhanden – ebenso wie Banken und Dienstleistungsbetriebe. Aufgrund der Verschlechterung des Angebotes des Einzelhandels, der vielen Baustellen und der Verkehrspolitik der Stadt (Herausdrängen des Autoverkehrs) nimmt die Wohlfühlqualität allerdings ständig ab. Diese Spirale dreht sich ständig weiter nach unten.

Positiv ist weiterhin die räumliche Nähe des Innenstadtbereiches zum Schlossgarten, die wesentlich besser genutzt werden sollte – aber der Stadt fehlt es an Ideen. Es macht übrigens auch keinen Sinn, an zwei Wochenenden im Jahr Stadtfeste mit viel Radau und Lärm zu veranstalten und dies als Erfolg zu bewerben.

Viele Besucher der Innenstadt (dazu zähle ich mich auch als Bewohner) wollen sich hier nicht länger aufhalten, als dies unbedingt notwendig ist. Es fehlt an Sicherheitsgefühl, Sauberkeit, attraktiven Geschäften und Gastronomiebetrieben.

Viele Menschen fahren für einen Kompletteinkauf auch gleich in eines der zahlreichen Outlets – Roppenheim ist nur eine halbe Stunde entfernt, Metzingen und Zweibrücken sind ebenfalls nur einen halben Tagesausflug entfernt. Dort sind die Parkmöglichkeiten, das Angebot und die Sauberkeit auf hohem Niveau.

Natürlich gibt es im Stadtgebiet noch einzelne spezialisierte Geschäfte, die von deren Stammkunden bevorzugt besucht werden – doch das ist nicht die Masse.

Den Wandel des Einkaufsverhaltens der Menschen kann eine einzelne Stadt kaum aufhalten. Weiterhin haben Behörden grundsätzlich kaum Einfluss auf die Vermietungen von Immobilien privater Eigentümer.

Vielen unserer Mitglieder liegt dieses unerschöpfliche Thema auf dem Herzen. Dieser Artikel soll zunächst einmal eine grobe und direkte Bestandsaufnahme sein.

Jürgen Zaiser
2. Vorsitzender Bürgerverein Stadtmitte